Let's make learning great again!

Ein Drittel aller Lehrer*innen und Schüler*innen sind burnoutgefährdet.

75%  aller Lehrpersonen empfinden ihre Arbeit als innovationsfeindlich.

Die Uno warnt - in der Schweiz wird bei Kindern viel zu häufig die Diagnose  ADHS gestellt und viel zu oft die Droge Ritalin verordnet.

Die Zahl der Familien, die aus der Volksschule flüchten, hat in den letzten Jahren in der Schweiz deutlich zugenommen.

Die Zahl der Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, hat sich mehr als verdoppelt.

 

Immer mehr Schüler*innen der Volksschule erhalten Therapien und dennoch hält eine Mehrheit an der starken Volksschule fest, welche die Schweiz scheinbar zusammenhält. FunFact: Es wurde auch mal behauptet, die Annahme des Frauenstimmrechts würde den Zusammenhalt der Schweiz gefährden - dennoch hat 1990 mit Appenzell Innerrhoden auch der letzte Schweizer Kanton dafür gestimmt.

 

Was muss geschehen, damit die Volksschule wirklich stark wird, indem sie stärkt? Wie kann Bildung zu Glück - oder zumindest zu Zufriedenheit - f¨ühren und wo liegen die Gefahren der akutellen Entwicklungen?

 

Das Konstrukt, welches wir heute als Volksschule kennen, enstand in der Schweiz im Verlaufe des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der Industrialisierung. Wiederstände entstanden, die Kinder sollten nach Meinung des einfachen Volkes lieber arbeiten gehen. Das Ziel dieser Schulen war, die Kinder zu guten Christ*innen zu erziehen, das Lesen der Bibel war das Ziel der Alphabetisierung. Dies änderte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

 

Die Schulen wurden säkularisiert, das Ziel war nun, aus den Schüler*innen gute Staatsbürger*innen und taugliche Geschäftsleute zu machen. Bereits an dieser Formulierung sieht man, auf welchem Verständnis die Volksschule aufbaut. Dieses Verständnis wandelte sich über die Zeit. Einer Gruppe aus  Reformist*innen, die sich Genfer Schule nannte, schwebte ein Unterricht vor, der die Kinder harmonisch ausbilden, ihre Interessen zum Ausgangspunkt nehmen, fächerübergreifendes und handelndes Lernen initiieren und den Übertritt vom Kindergarten in die Primarschule sinnvoll gestalten sollte. Ein Ziel, welches vermutlich auch alle heutigen Primarlehrer*innen unterschreiben würden. Dennoch gibt es ein Problem.

 

Überall auf der Welt sind die Kosten der Schulen schneller gestiegen als die Schüler*innenzahlen und ebenfalls schneller als das Bruttosozialprodukt, so auch in der Schweiz. Trotzdem bleiben die Aufwendungen für Schulen überall hinter den Erwartungen von Eltern, Lehrpersonen und Schüler*innen zurück und manchmal macht Schule sogar krank

 

Dieser Zustand behindert sowohl die Motivation als auch die Finanzierung einer umfassenden Planung alternativen Lernens. Gegenwärtig verschlingen die staatlichen Schulen den grössten Teil der für Bildungszwecke verfügbaren Mittel. Einpaukkurse, Privatschulen und Home-Schooling sind heute ein Privileg von Leuten, die reich genug sind, um Staatsschulen zu umgehen. Dennoch kosten all diese Alternativen gesamthaft weniger als vergleichbarer Unterricht in der Staatsschule. Erschwerend hinzu kommt, dass das Schweizer Bildungssystem sozial ungerecht ist. Zu diesem Ergebnis kam eine im Jahr 2018 durchgeführte Studie des SWR. Diese Ungerechtigkeit schadet v.a. bildungsfernen Schichten, Migrant*innen und letztendlich der gesamten Volkswirtschaft.

 

Hinzu kommt die Ungewissheit. Die Zukunft, in die junge Menschen hineinwachsen, wird sich durch Unabwägbarkeiten und Krisen abzeichnen. Die Dienstleistungsgesellschaft stirbt. Ein Schlüsselfaktor um künftig bestehen zu können ist Kreativität, sagt Andreas Schleicher von der OECD. Kreativität lebt von Begeisterung, und Begeisterung entsteht in Freiräumen offenen Denkens, wenn nicht alles vorherbestimmt ist, wenn man Träumen nachgehen darf. Kreativität braucht Raum zum Scheitern ohne Beurteilung.

 

Das Wirtschafts-System tritt in eine neue Phase ein. Viele Jobs werden durch Technologien ersetzt. Gewinnen werden diejenigen, die das was sie lieben, zu einer Nische machen können, in der sie brillieren. Niemals also war es wichtiger, seine Begabungen zu entdecken.  Es gibt viele Schulen und tolle Initiativen, die dieser Entwicklung bereits jetzt Rechnung tragen, vielfach sind dies jedoch private Bildungssysteme. 

 

Ich finde: Die Staatsschule muss aufwachen! An allen Ecken wimmelt es von Marktschreier*nnen und Rattenfänger*nnen, die vorgeben, den Weg in die Schule des Glücks, die agile Zukunft und in die Potentialentfaltung hinein zu kennen. Natürlich ist dieser Weg jeweils DER Herzensweg (was in der Regel  das Hirn nicht mitmeint) und diesen Weg lassen sie sich teuer bezahlen. Im Sektenland Schweiz haben Gurus und Gruppierungen regen Zulauf. Wenn die Schweiz wirklich eine starke Volksschule will, muss sie sich in einem ersten Schritt öffnen. Dies kann beispielswiese mit einer Freien Bildungwahl geschehen, mit Sozialindex - und Kontrolle!

 

Weder die öffentliche, noch die private Beschulung ist per se gut oder schlecht. Es gibt viele Faktoren, die hier mitspielen: die Lehrperson, das Elternhaus, das Kind, die Klassenzusammensetzung, uvm.

 

Wahlfreiheit jedoch ist per se gut. Die Schweiz, ein demokratisches Land, mit 63 zugelassenen Krankenkassen, lässt bildungspflichigen Kindern gar keine Wahl. Die Postleitzahl bestimmt die Lehrperson, die Klasse und die Schule – wem das nicht passt, der soll zusätzlich zahlen – oder sich passend therapieren lassen (mit Hilfe der gewählten Krankenkasse).

 

In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen“ , lautet Absatz 3, Art. 26, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sorgen wir dafür, dass dieses Menschenrecht allen Schweizerinnen gewährt wird, unabhängig von Ihrem persönlichen Budget.

 

Wer ausserdem mithelfen will ganz konkret Innovation im Bildungssystem anzuregen, ein Bildungs-Netzwerk zu generieren, in einem freundschaftlichen Wettbewerb die besten Bildungs-Ideen zu finden und neue Lösungen zu entwickeln, soll ans edu-camp.ch kommen. Dort werden wir genau daran arbeiten. Am Ende würde eine Best-of-Liste der Lösungen erstellt. Jeder dürfte sie verwenden, miteinander kombinieren und weiterentwickeln. Die Innovationsfähigkeit des Bildungs-Systems würde so entfesselt. Und wir könnten alle dazu beitragen – jedenfalls, wer will.

 

 

Verwendete Literatur:

 

Grunder, Hans-Ulrich, Schulreform und Reformschule /Bad Heilbrunn : Verlag Julius Klinkhardt, 2015

 

Illich, Ivan, Entschulung der Gesellschaft : eine Streitschrift / München : Beck, 2013